Boris Nikitin
Magda Toffler: Versuch über das Schweigen (2022)
Performance
Boris Nikitin, Magda Toffler: Versuch über das Schweigen (2022), Performance, Foto: Johanna Lamprecht
Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers
Schweigen umhüllt so manche Familiengeschichte. Die Überlebenden schaffen eine maximale Distanz zwischen sich und den Erfahrungen der Vergangenheit. In seinem neuen Stück greift der Regisseur und Autor Boris Nikitin die Form der Zeugenschaft oder des „Coming-out“ in einem Soloformat auf, das er parallel zu seinen großen Bühnenproduktionen entwickelt hat, die die Konventionen des Dokumentartheaters hinterfragen. Er setzt sich mit seiner eigenen, bisher verborgenen Familiengeschichte auseinander – ein Ergebnis des 20. Jahrhunderts und seiner Verdrängungen.
Die Performance erzählt von Nikitins Großmutter aus Bratislava. Nachdem diese 2009 im Alter von 87 Jahren gestorben war, erfuhr der Autor, dass sie ursprünglich aus einer jüdischen Familie stammte. 1944/45 musste sie sich monatelang in einer Scheune in der Ostslowakei verstecken, während der Großteil ihrer Familie in den deutschen Todeslagern ums Leben kam. Das alles behielt sie für sich, gründete eine Familie und wurde Professorin für Chemie. Sogar vor ihren Töchtern, von denen eine Boris Nikitins Mutter war, verbarg sie ihre Herkunft.
Der Künstler begibt sich auf die Suche nach ihrem Schweigen und fragt, inwieweit diese Lücke zwischen den Worten nicht nur in den vielen Kriegs- und Nachkriegsgeschichten des 20. Jahrhunderts zu finden ist, sondern eine tragende Säule der Realität darstellt.
Boris Nikitin (1979, Basel, Schweiz) ist Theaterregisseur und Autor. Er gilt als eine der wichtigsten Stimmen des zeitgenössischen deutschsprachigen Theaters. Seine Inszenierungen, Texte und Happenings setzen sich seit 2007 mit der Darstellung von Identität und Realität auseinander. Sie sind Grenzgänge zwischen Illusionstheater und Performance, zwischen Dokumentarischem und Propaganda. Für sein Gesamtwerk wurde Nikitin 2017 mit dem Jakob-Michael-Reinhold-Lenz-Preis für Dramatik der Stadt Jena ausgezeichnet. 2020 erhielt er den Schweizer Theaterpreis. Sein Stück Erste Staffel. 20 Jahre Big Brother wurde 2021 als eines der besten deutschsprachigen Stücke zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen.
14.10., 15.10., 16.10., 19:00
Helmut List Halle
Waagner-Biro-Straße 98a
8020 Graz
♿ Zugänglich für Rollstühle
Deutsch mit englischen Übertiteln
16/12 Euro
Vermittlungsangebot
Im Anschluss an die Vorstellung vom 14.10.
Eat and Greet
In deutscher Sprache
Mit Boris Nikitin und Barbara Stelzl-Marx
Helmut List Halle (Halle C)
Kostenfrei im Rahmen der Vorstellung
Regie, Text, Performance: Boris Nikitin
Produktionsmanagement: Annett Hardegen
Outside Eye: Annett Hardegen, Matthias Meppelink
In Auftrag gegeben von Kaserne Basel, Théatre Vidy-Lausanne, HAU Hebbel am Ufer Berlin, steirischer herbst ’22, Staatstheater Nürnberg, Frascati, Theater Chur, Ringlokschuppen Ruhr und Omanut
Produziert von Paraform Produktionen / It’s The Real Thing Studios
Unterstützt von Fachausschuss Tanz & Theater BS/BL, Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, Fondation Jan Michalski, Schweizerische Botschaft in Österreich und Stanley Thomas Johnson Stiftung.
Die erste Fassung dieser Arbeit wurde von Omanut in Auftrag gegeben.