Philip Sotnychenko

Happy New Year (2018)

Zur Jahrtausendwende hätte niemand die aktuelle Katastrophe vorausgesagt, aber die ersten Anzeichen waren schon damals zu spüren. Philip Sotnychenkos Film besteht aus Found Footage: Eine Videokassette von einer Silvesterparty in Riga beschwört mit VHS-Farben und Bewegungsunschärfe jene Zeit herauf und zeigt, dass die Saat des imperialen Ressentiments nach den drastischen Veränderungen im Europa der 1990er bereits vorhanden war. Auf dem Filmmaterial sieht man eine unschuldige Feier von postsowjetischen, teils lettischsprachigen und teils russischsprachigen Paaren. Silvester wird zur Gelegenheit, wiederholt die alte sowjetische Nationalhymne zu hören – und Russisch als Sprache in der Gruppe durchzusetzen. Aus heutiger Perspektive wirken die beiläufigen rassistischen Beleidigungen und der alltägliche Sexismus der Partygäste kaum unschuldig. Ihre ausgelassene Feier überschneidet sich mit Putins Aufstieg zur Macht und dem ersten militärischen Konflikt seines Regimes, dem Zweiten Tschetschenienkrieg. Unterdessen bejubelte der Rest der Welt die Globalisierung und das Aufkommen der Dotcom-Wirtschaft, während man Putin bequem für einen Reformwilligen hielt. Doch das Feuerwerk in Sotnychenkos gefundenem Filmmaterial nimmt die heutigen Explosionen vorweg und verdeutlicht ihre Signifikanz für unsere Epoche im Allgemeinen.


Philip Sotnychenko (1989, Kyjiw, Ukraine) ist Filmemacher. Er ist Mitbegründer von CUC (Contemporary Ukrainian Cinema), einem Kollektiv junger unabhängiger Filmemacher:innen. Seine Kurzfilme Son, Nail und Technical Break wurden alle auf großen Filmfestivals ausgezeichnet – insgesamt haben es seine sieben Kurzfilme 350-mal in die Auswahl geschafft und über 50 Preise gewonnen.

Video, 8 min

Produziert für das Projekt Armed and Dangerous