Mykola Ridnyi

Temerari (2021)

Russlands Angriff auf seinen Nachbarstaat wird von einer nationalistischen Ideologie angetrieben, die der Adolf Hitlers erstaunlich ähnlich ist. Selbst die brutalen Details des Krieges erinnern an die Verbrechen des Naziregimes. Dennoch rechtfertigt die russische Propaganda die Invasion als eine, die sich gegen „Faschisten“ richtet, die angeblich nicht nur die ukrainische Politik übernommen haben, sondern auch an der Spitze der NATO stehen. Der Film Temerari (2021) von Mykola Ridnyi greift dieses äußerst kontroverse Thema auf. In Form eines Reiseberichts aus dem Zeitalter nach dem Internet lässt Ridnyi die militaristische, akzelerationistische Ästhetik des italienischen Futurismus anhand seiner filmischen Dokumente wieder aufleben. Er untersucht die verwegene Frauenfeindlichkeit dieser Bewegung sowie ihre Vorliebe für reinigende Gewalt und zeigt dabei auch, wie diese Ästhetik in der Gegenwart wiederkehrt – wo sich nicht nur Museumsbesucher:innen, sondern auch ukrainische Nationalist:innen und italienische Neofaschist:innen von futuristischen Ideen inspirieren lassen. Im Gegensatz zu den von der Kreml-Propaganda verbreiteten Mythen haben diese neuen Fans von Filippo Tommaso Marinetti und Ezra Pound keine besondere Vorliebe für die Ukraine – sie neigen eher dazu, auf der Seite Russlands zu kämpfen (zu deren eigenen regulären und irregulären Truppen viele Ultranationalisten und Neonazis gehören). Ridnyis Film bewegt sich geschickt durch die ideologische Komplexität dieses Themas und veranschaulicht, wie die Kulturgeschichte die toxischen Ideologien der Vergangenheit normalisiert und reproduziert, und wie Künstler:innen daran arbeiten könnten, sie vollständig zu dekonstruieren.

Eine Forschungsinstallation bietet vertiefende Erkenntnisse aus den Recherchen zum Film und stellt seine Figuren, Schauplätze und Phänomene vor. Sie wird begleitet von einer Diashow mit weiteren futuristischen und antifaschistischen Artefakten.


Mykola Ridnyi (1985, Charkiw, Ukraine) ist ein Künstler, Bildhauer, Filmemacher und Kurator. Seine Performances, Installationen, Skulpturen und Kurzfilme reflektieren die sozialen und politischen Realitäten der heutigen Ukraine. Er hat 2005 die Gruppe SOSka mitgegründet, ein Kunstkollektiv, das zahlreiche Projekte in Charkiw kuratiert und organisiert hat. Seine Arbeiten wurden in Ausstellungen und auf Filmfestivals gezeigt, darunter die transmediale, Berlin (2019), das 35. Kasseler Dokfest (2018), The Image of War in der Bonniers Konsthall, Stockholm (2017), All the World’s Futures auf der 56. Biennale von Venedig (2015), The School of Kyiv – 1. Kyjiwer Biennale (2015) und andere Orte.

HD-Video, Farbe, Ton, 21 min

Recherchematerial: 3 min, Glossar, Farbdruck, HD-Video, Farbe und s/w, stumm

Produktion: Akademie der Künste, Berlin; Villa Massimo, Rom