Ein Krieg in der Ferne: Ausstellung

Kuratorische Interventionen

Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei in Österreich (1968), elf Fotografien, Foto: Mathias Völzke

Die Ausstellung Ein Krieg in der Ferne basiert auf subjektiven Entscheidungen und Assoziationen. Begegnungen zwischen historischen Kunstwerken und zeitgenössischen Künstler:innen schaffen einen Raum jenseits von beidem. Hier verschwimmt die Grenze zwischen dem Ästhetischen und dem Dokumentarischen und eine neue Art von Fiktion entsteht. Die kuratorischen Interventionen in der Ausstellung unterstreichen diese Arbeitsweise und verweisen auf den größeren imaginären Raum, den sie eröffnen will.

Das Pferdemodell im Eingangsbereich der Neuen Galerie Graz steht normalerweise im Landeszeughaus, wo es von einer aufwändigen Rüstung bedeckt wird. Das Landeszeughaus besitzt eine einzigartige Sammlung von über 30.000 Waffen, Werkzeugen und Rüstungen, von denen Pferderüstungen die seltensten sind. Das nackte, verletzliche und leicht deplatziert wirkende Pferd eröffnet die Schau, in der der Krieg und seine Eigenschaften oft nicht zu sehen sind, aber dennoch in der Luft schweben.

Den Namen des Festivals könnte sein Gründer Hanns Koren in Anlehnung an das Gedicht „Steirischer Herbst 1916“ von Hans Kloepfer gewählt haben, einem von Koren sehr geschätzten Mundartdichter. Das Gedicht ist hier zu sehen. Es schildert einen idyllischen steirischen Herbstabend, unterbrochen vom fernen Artilleriefeuer der Isonzoschlachten. Ergänzt wird es durch eine Miniatursequenz aus Charles Vidors Hollywood-Verfilmung Ernest Hemingways A Farewell to Arms, das diese Schlachten beschreibt.

Die erste Ausgabe des steirischen herbst fand 1968 statt, als gerade viele Menschen aus der Tschechoslowakei vor den Besatzungstruppen des Warschauer Paktes flohen oder in der Steiermark festsaßen, weil sie nicht aus ihrem jugoslawischen Strandurlaub zurückkehren wollten. Um an diese oft übersehene Tatsache zu erinnern, zeigt die Ausstellung eine Auswahl von Fotografien, die die Ankunft und den Empfang der tschechoslowakischen Flüchtlinge im Sommer 1968 dokumentieren.

Gemälde aus der Sammlung der Neuen Galerie Graz werden regelmäßig an Dienststellen der Stadt und des Landes ausgeliehen, und die Auswahl der Werke und der Stile – ob bewusst oder durch die Umstände bedingt – schafft interessante Gegenüberstellungen. Eine eigens von den Kurator:innen in Auftrag gegebene Serie von Innenaufnahmen dokumentiert die Lebensräume der Gemälde in Verwaltungs- und Besprechungsräumen im Landhaus Graz und an anderen Orten. Auf die Nennung der Künstler:innen sowie der Besitzer:innen der Büros wurde bewusst verzichtet, um den Kontrast beziehungsweise die Übereinstimmung von Büros und Kunstwerken für sich sprechen zu lassen.

How to Spot a Communist (USA, 1950er), Broschüre aus der Sammlung von Emil Gruber

Der kürzlich verstorbene Grazer Kurator und Künstler Emil Gruber hat im Laufe seines Lebens eine umfangreiche Sammlung von Druckerzeugnissen zusammengetragen, darunter auch äußerst seltene Publikationen. Die vorliegende kuratorische Auswahl veranschaulicht die politische Geschichte Österreichs vom Dollfuß-Regime über die Zeit des „Anschlusses“ bis hin zum Kalten Krieg anhand einer Reihe von Dokumenten aus aller Welt. Die Exponate reichen von antifaschistischen Comics über antikommunistische Propaganda bis hin zu Zeitungsausschnitten. Sie verdeutlichen die vielen ideologischen Kämpfe, die in den sich wandelnden politischen Landschaften des 20. Jahrhunderts ausgetragen wurden.

Unbekannter Künstler, Erzherzog Johann von Österreich (Mitte 19. Jahrhundert), Gips, mit Leimfarbe gefasst, 168 × 113 × 81 cm, Neue Galerie Graz / Universalmuseum Joanneum, Foto: Dietmar Reinbacher

In der zentralen Rotunde der Ausstellung steht eine der vielen Entdeckungen aus dem Depot der Neuen Galerie Graz: eine rätselhafte, überdimensionale Büste von Erzherzog Johann, Förderer der Kunst und Bildung in der Steiermark und Gründer des Universalmuseums Joanneum. Die Beschädigung an seiner Stirn stammt laut einem kürzlich erstellten forensischen Berichts von einem großkalibrigen Bleigeschoss aus einem Revolver, wie im und vor dem Ersten Weltkrieg in vielen Armeen getragen wurde. Im Kontext dieser Ausstellung könnte dies an die Ermordung eines anderen Erzherzogs, Franz Ferdinand, durch den serbischen Nationalisten Gavrilo Princip erinnern.



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